Wer bin ich?

Aufgewachsen bin ich in der Zeit von Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, Walter Ulbricht, Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Kiesinger und Willy Brandt.

Begleitet wurde dies durch die Musik von Elvis Presley, den Beatles, den Rolling Stones, Bob Dylan und Jimi Hendrix.

Ich durfte den Sputnik 1 und Juri Gagarin bejubeln, habe den Bau der Berliner Mauer und den Prager Frühling erlebt, musste in Deutsch einen Aufsatz mit dem Titel „Warum geht uns der Krieg in Vietnam etwas an?“ schreiben, erlebte die Studentenunruhen 1968, den Tod von Benno Ohnesorg und den Kniefall von Willy Brandt in Warschau.

Das Studium der Mathematik und Informationsverarbeitung an der Universität Tübingen begann ich am 19.10.1971 mit der Vorlesung „Lineare Algebra“ im Kupferbau der Universität. Im größten Hörsaal drängten sich über 250 Hörer und die Dozenten Peter Schmid und Helmut Fischer verkündeten, dass sie eine neues Konzept für die Anfängervorlesung umsetzen würden.

Da dieses Konzept uns allen einen wunderbaren Einstieg in die Mathematik ermöglichte, setze ich wesentliche Punkte davon – Teams und Teamsitzungen – in meinen Vorlesungen um.

Das Studium von 1971 – 1977 wurde begleitet von dem Ende des Vietnamkriegs, der politischen Öffnung der Bundesrepublik nach Osteuropa, dem Rücktritt von Willy Brandt nach der Guillaume-Affäre, der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt, den Aktionen der RAF und den wirtschaftlichen Problemen der Bundesrepublik zu Ende der 70er-Jahre.

Mein Diplom bestand ich 1977 mit einer Arbeit über „Hilbertverbände“, die ich bei Prof. Schaefer schrieb, der den Lehrstuhl für Funktionalanalysis innehatte.

1977 wurde ich Assistent bei Prof. Schaefer und promovierte 1979 mit einer Arbeit über „Das Spektrum positiver Operatoren auf C*-Algebren“. Dabei geht es um die spektralen Eigenschaften positiver Operatoren auf nichtkommutativen C*-Algebren, wobei ich die Ergebnisse von Schaefer und seinen Schülern von dem kommutativen auf den nichtkommutativen Fall verallgemeinern konnte.

Mein Interesse für das japanische Brettspiel GO 囲碁 hatte auch ein starkes Interesse für Japan und die japanische Sprache geweckt. Um japanische GO-Bücher lesen zu können, lernte ich Japanisch und hatte dann 1982/1983 die Möglichkeit mit Hilfe eines Stipendiums der Alexander von Humboldt Stiftung am Research Institute for Electronic Science 北海道大学電子科学研究所, an der Hokkaido University 北大 in Sapporo 札幌市 arbeiten zu können.

Sapporo ist bekannt für die olympischen Winterspiele 1972, dem Schneefest 雪まつり im Februar, sein hervorragendes Sapporo-Bier und Suskino すすきの. Hokkaido 北海道 selbst ist einfach grandios: Vulkane, Seen und ein langer, schneereicher Winter.

Es war für meine Familie und mich eine wunderschöne und erfolgreiche Zeit, privat wie auch mathematisch.

Mathematisch beschäftigte ich mich zwischen 1980 und 1983 mit der Theorie linearer Operatoren auf W*- und C*-Algebren, deren Ergebnisse in eine Reihe von Veröffentlichungen mündeten. Eine Übersicht der Ergebnisse finden sich unter diesem Link.

1984 konnte ich mich mit einer Arbeit zur Spektraltheorie von Operatorhalbgruppen auf C*- und W*-Algebren habilitieren. Diese Arbeit findet man in den Lecture Notes 1184 „One-parameter Semigroups of Positive Operators“, herausgegeben von Rainer Nagel. Am 6. September 1984 verlieh mir dann die Universität Tübingen die „Venia Legendi“.

Mit dem Erwerb der Venia Legendi hatte ich meine akademische Ausbildung abgeschlossen und stand nun vor der Frage: „Wie geht es weiter?“. Die Stellen an den Universitäten im Fach Mathematik waren rar gesät, die wirtschaftliche Situation in der Bundesrepublik angespannt, ich hatte eine Familie mit zwei kleinen Kindern und auch ein Alter erreicht, in dem man Weichen stellen muss.

Wie so vieles im Leben war es ein glücklicher Zufall, dass die Firma IBM 1984 Mitarbeiter suchte, die sich an den Universitäten gut auskannten, um dieses Marktsegment neu zu erschließen. Meine Bewerbung bei IBM war erfolgreich und im Januar 1985 wechselte ich von der Universität zur IBM, allerdings nicht um Mathematik zu betreiben, sondern um zu helfen, die Produkte der IBM zu vermarkten. Da mir diese Tätigkeit viel Spaß machte und erfolgreich war, hatte ich während meiner Zeit bei IBM nie das Bedürfnis in den Bereich Entwicklung und Forschung der IBM zu wechseln.

Mit einem großen Team war ich dann ab 2002 verantwortlich für die Kundenbeziehungen der IBM zu Universitäten, Fachhochschulen, der Max-Planck-Gesellschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. Es war eine spannende Zeit, da die Kunden im Umbruch waren (Stichwort Bologna-Prozess), sich neu ausrichteten (etwa die Gründung des KIT in Karlsruhe) oder im High-Performance-Computingbereich im Wettbewerb zu den amerikanischen und japanischen Forschungseinrichtungen standen. Auch war es die Zeit, in der der klassische PC durch den Laptop abgelöst wurde.

In diese Zeit fielen viele interessante Projekte, von denen zwei besonders herausragten. Dies war einmal das Laptop-Projekt nofost = Notebooks for Students, in dem wir ein spezielles Angebot für Studenten präsentieren konnten, das über Jahre hinweg erfolgreich war. Das andere Projekt war die Realisierung der Installation des ersten Petaflop Rechners in Europa beim Forschungszentrum Jülich im Jahr 2009.

Meine berufliche Zeit bei IBM möchte ich nicht missen, da die Vielfältigkeit der Tätigkeiten mir eine abwechslungsreiche Arbeit und die Begegnung mit vielen interessanten Menschen bescherte. Geholfen hat mir über all die Jahre hinweg aber auch die Denkstruktur der Mathematik, die ich mir in meiner akademischen Zeit angeeignet hatte. Diese hat mir oft geholfen, komplexe Probleme zu analysieren und sie zu lösen.

„Wenn es am schönsten ist, soll man gehen.“ Diesen alten Spruch konnte ich zu Ende meiner Laufbahn bei IBM anwenden, um ab Mitte 2009 an der Universität Tübingen Vorlesungen in Mathematik zu halten.

Meine Hobbys sind Mathematik, Rennradfahren, und Go. Ich bin verheiratet, habe zwei erwachsene Söhne und drei Enkelkinder.

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